In letzter Zeit war der ebenso zentrale wie sträflich vernachlässigte Dresdner Stadtteil Friedrichstadt vor allem im Zusammenhang mit Nachrichten aus und über die Kreativwirtschaft verbunden. Nach einer eher beschaulichen Zeit zwischen Krankenhaus, Brachen und liebenswerten Kultur-Akteuren wie Riesa Efau, Friedrichstadt zentral oder Motorenhalle, wird das Viertel gerade durch einen wahren Kreativboost an zwei Flanken (Kraftwerk Mitte und Ostragehege) eher wachgevögelt als wachgeküsst.
Für ein wenig Abwechslung im Kreativhype sorgt jetzt die TLG Immobilien GmbH, ein Unternehmen, das zu 100% dem Bund gehört (hervorgegangen aus der Treuhandanstalt), aber mittlerweile keine unmittelbaren Treuhandnachfolgeaufgaben mehr wahrnimmt. Die TLG verkauft sich mittlerweile als Ostdeutschlands Immobilienunternehmen Nr. 1 und als solches hängt man in so engagierten Projekten wie Mediaspree in Berlin oder dem „Gartenzwerg- und Graffiti-Ghetto“ (Urheber der Redaktion bekannt) auf dem Areal der ehemaligen Spirituosen- und Hefefabrik Bramsch.
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Heute fand der zweite Workshop zur Kreativwirtschaft in Dresden statt.
Wie schon nach dem ersten Workshop möchte ich Euch gerne einen -natürlich sehr subjektiven – Eindruck des Treffens sowie einige Gedanken dazu schildern. Ich hoffe sehr, dass sich die anderen Teilnehmer zu Anmerkungen, Kommentaren und Ergänzungen bewegen lassen. Wer mag, kann sehr gerne seine Gedanken hier als Gastkommentar direkt im Blog veröffentlichen!
Im Mittelpunkt stand heute die Frage nach räumlichen Standortfaktoren. Es sollte also erfasst werden, welche Kreativ-Areale bereits bestehen, welche Standorte in Dresden besonders viel Potential aufweisen und welche konkreten Stadtentwicklungsansätze nötig oder wünschenswert sind.
Ich gebe zu, im Vorfeld der Veranstaltung war ich sehr skeptisch, ob (mir) die Veranstaltung wirklich viel bringen kann. Als Vertreter der Agenturlandschaft und der Musikwirtschaft sah ich das Thema „Kreativ-Areale“ immer als „eher weniger wichtig“ (für die Agenturlandschaft) beziehungsweise als Luxusproblem (für die Musikwirtschaft).
Dezentrale Produktion – zentrale Präsentation
Agenturen brauchen eine gute Verkehrsanbindung, eine inspirierende Umgebung (je nach Vorliebe) und Lokale mit gutem Mittagsangebot in der Nähe. Und natürlich funktionierendes Hochgeschwindigkeitsinternet (Grüße nach Striesen). Wirklich wichtig ist es dabei nicht, ob jetzt drei oder dreißig weitere Kreative in der Umgebung ihre Arbeitsplätze haben. So groß ist Dresden dann auch wieder nicht. Vor allem: Die Kunden sitzen sowieso weiter weg als jeder Partner vor Ort. Mobilität gehört also zum Standard.
Für die Musikwirtschaft ist das ähnlich, allerdings aus ganz anderen Gründen. Es gibt hier außer den Veranstaltungsunternehmen so wenige gesunde, wirtschaftliche Betriebe im Bereich Pop/Rock (Labels, Verlage oder Künstleragenturen), dass Synergieeffekte durch ein Kreativ-Areal sicherlich ein nettes Gedankenspiel darstellen, die Branche aber eindeutig ganz andere Sorgen hat (finanzielle Ausstattung, Kreditwürdigkeit). Proberäume sind über die ganze Stadt verteilt durchaus vorhanden und bilden mehr oder weniger bereits jetzt eigene Kreativzentren. In Dresden fehlen eher Auftrittsmöglichkeiten für lokale Bands und professionelle Vermarkter (Labels, Künstlermanagement, Verlage) als Proberäume, Büros oder Kreativzentren.
Wie ich heute aber lernen durfte, ist das durchaus ein spartenübergreifendes Spiegelbild für die Dresdner Kulturwirtschaft. Das Problem sind nicht die Bedingungen der Produktion sondern die der Präsentation.
Der Workshop heute war so aufgebaut, dass an vier Tischen jeweils etwa 8-10 Personen (bunt gemischt) zusammen eine Art Soll/Ist-Präsentation erarbeiten sollten. Auf Stadtplänen wurde dabei gezeigt, wo Branchen jetzt zu Hause sind, welche Areale das größte Potential aufweisen und welche Verknüpfungen sich zu Baubestand und Infrastruktur darstellen lassen.
Über aktuelle Leerstände, nutzbare Brachflächen oder andere Sorgenkinder der Stadt wurden wir dabei im Vorfeld nicht informiert. Dabei wäre das sicherlich ein sehr guter Ansatz gewesen, nicht nur zu fragen, was die Stadt für die Kreativen tun kann, sondern den Spieß auch umzukehren. Wenn ihr mich fragt: Die Stadt hat wahrscheinlich mehr Probleme als die Kreativen! Imageprobleme, Gentrifizierung, Leerstände oder Vergreisung diverser Genossenschaftssiedlungen mal als Beispiele genannt.
Das ist nämlich auch das, was wir Kreative vor allem wollen: Gefragt werden! Gehört werden! Uns einbringen!
Vielleicht entwickelt sich aus den Workshops ja eine Art Forum für diesen Austausch.
An meinem Tisch saßen unter anderen VertreterInnen des Literaturbüros, vom Geh8, von Sputnik-Dresden, vom Filmverband Sachsen sowie Multimediavertreter aus dem engen und erweiteren Kreis der IG Kraftwerk Mitte sowie Rene Schulze, der seit einiger Zeit im Auftrag einer Dresdner Stadtentwicklungsgesellschaft an Konzepten arbeitet.
Für ein Aha-Erlebnis hat bei mir Paul Elsner vom Geh8 gesorgt, der die Notwendigkeit aufzeigte, Produktion und Präsentation der künstlerischen und kulturwirtschaftlichen Arbeit getrennt voneinander zu betrachten. Wahrscheinlich ist das Stoff im 1. Semester Stadtentwicklung, aber ich als Laie habe das so noch nie betrachtet. Durch diese Trennung konnte ich alle anderen Ausführungen aus einem ganz neuen Blickwinkel sehen.
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