WOW! Was für ein Debut! Halls ist das Soloprojekt des gerade mal 21jährigen Sam Howard und „Ark“ eine urbane Winterplatte voller ergreifender und überraschender Momente. Klirrend fällt der Eisregen auf die Mülltonnen im Hinterhof, ergreifend klingt der Chor aus dem feierlich beleuchteten Barocksaal, frierend legt sich die Hand meiner Liebsten in meine. Der Schneematsch, der unter unseren Füßen schmatzt, leuchtet dumpf im neongrün der Supermarktwerbung.
Ark ist ein intensiver, dramatischer und doch nie kitschiger elektronischer Soundtrack. Das Label erwähnt Burial, Efterklang, Bon Iver und Nils Frahm als musikalische Verweise und nimmt den Mund nicht zu voll. Melancholische Piano-Akkorde über eine wummernden Bassdrum bilden das Fundament für eine außergewöhnliche Stimme und Klangwände, die mal zerbrechlich, mal mächtig aus dem Nichts auftauchen, den direkten Weg in Deinen Bauch suchen und dann wieder davonschleichen wie ein Traum.
Gestern fragte ich eine Bekannte in Montreal, ob sie mir nicht ein paar lokale Musikblogs von dort empfehlen könne. Schließlich fällt mir kaum eine Stadt ein, die derzeit mehr geile Bands rausbringt als kanadische Kreativmetropole. Blogs kenne sie keine, aber neuerdings stünden dort plötzlich künstlerisch gestaltete Klaviere auf der Strasse. Den Zusammenhang verstand ich nicht, aber es hat mich trotzdem neugierig gemacht. Für ausgefallene Ideen zur Belebung von Städten bin ich ja immer zu haben.
Und siehe, da habe ich aber was verpasst. Die Aktion „Streetpianos“ ist weder neu noch aus Montreal, sondern ein weltweites Kunstprojekt, das der Brite Luke Jerram angestoßen hat, nachdem in Sheffield ein zwangsweise vor dem Haus geparktes Klavier für Leben auf der Strasse sorgte. Mittlerweile stehen solche Klaviere auf der ganzen Welt. In den meisten Städten werden die Projekte vom Rathaus betreut (Auftrag an Künstler, Standortorganisation etc.).
Eine Aktion, die auch gut zu Dresden passen würde. An Klavieren sollte es nicht mangeln. Dradio Wissen schätzt, dass ca. 3.500 Klaviere im Jahr auf deutschen Schrottplätzen landen. „Die Leute wollen alte Klaviere nicht einmal geschenkt. Sie fürchten die Kosten für die Reparatur, den Transport und den Klavierstimmer“, berichtet auch die FAZ.
Da stirb eine Boombranche. In der Blütezeit verkauften deutsche Klavierbauer 300.000 Klaviere im Jahr, heute sind es auf dem deutschen Markt noch 12.000 – vielleicht stehen ja bald ein paar bunte auf Dresdens Strasse und inspirieren jung und alt, Neugierige, Amateure und Profis? Ich gebe das mal dem lokalen Kreativverband als Anregung für die heutige „Ordentliche Mitgliederversammlung“ auf den Weg :-)
„djummi-records möchte im großen allgemeinen Soundgrau bemerkenswerte Musik entdecken, sie präsentieren und bekannter machen. In unserer Stadt und in der ganzen Welt. Dabei soll sich das Engagement nicht nach kommerziellen Gesichtspunkten richten, sondern nach kreativen, geschmacklichen, künstlerischen usw. (…) djummi-records veröffentlicht genreübergreifend. Es zählen allein Originalität, Qualität, Leidenschaft und Sympathie. (..) djummi-records hat dabei einen gewissen Fokus auf die Dresdner Musiklandschaft und ist offen für Musik aus dem Rest der Welt.“
Wer meine Meinung zu Marke, notwendiger Nischenorientierung und klarer Zielgruppe kennt, der ahnt bereits jetzt, dass ich dem Konzept des neuen Dresdner Netlabels djummi eher skeptisch gegenüber stehe. „Bemerkenswerte Musik“ ist keine Szene, in der man sich etablieren kann und „sympathische“ Acts gibt es im Schlager genauso wie im Crustcore. Sprich: Es wird schwer, die selbe Sprache der Acts und vor allem des Publikums zu sprechen! Das erhöht die Befürchtung, dass sich bewahrheitet, was in der Pressemitteilung eröffnend (hoffentlich) als Scherz gemeint ist:
„Mein Kollege Steffen und ich haben etwas recht langweiliges gemacht: Nämlich ein x-tes Netlabel oder so etwas ähnliches eröffnet.“
Nichtsdestotrotz ist das Engagement von Steffen Koritsch und Marco Sebastian Christ absolut zu begrüßen! Jeder einzelne, der sich sich mit dem notwendigen Vertragsrecht, der (digitalen) Distributionspolitik und den Marketinggesetzen im Musikbusiness beschäftigt, wird auch dann der Szene helfen, wenn die ersten Schritte vielleicht etwas unscharf und schwammig bleiben. Aus lokalen Projekten wie diesen sind gewaltige Festivals und internationale Labels hervorgegangen. Learning by doing heißt die Devise! Darum wünsche ich Steffen und Marco von Herzen viel Erfolg und viele positive Erfahrungen bei ihrer Arbeit.
Sie sollten sich – genau wie alle Musiker, Manager, Labels und Booker – den 05.05.2012 im Kalender notieren, denn da gibt es ein kleines Get-Together der Dresdner Indieszene im Hof der Groovestation. Dazu in Kürze mehr!
Na Ihr, wie seid ihr ins neue Jahr gekommen? Und wie viele Rumpfbeugen („Sit-ups“) habt ihr schon gemacht, um den Weihnachtsspeck los zu werden? Ich hätte da einen wunderbaren Titel für Euer Sportprogramm („Work-out“). Pickwick heißt nicht nur (seit über 30 Jahren!) mein Lieblingsteebeutelproduzent sondern auch die Band mit dem Songfund der Woche. http://www.youtube.com/watch?v=VE0ThTQ5Wlk&feature=related
Mein Lieblings-Tumblr der Woche nennt sich Good Old Valves und lässt das Herz jedes Youngtimer-Fans höher schlagen.
Sehr gelacht habe ich über dieses Fundstück von Andre aus der Facebook-Gruppe „Da kotzt das Texterherz“. Provokation oder Megafail? Entscheidet selbst: weiterlesen…
Für Menschen, denen Musik mehr bedeutet, als Nadja Abd el Farrag für Diamanten und teure Seiden-Schlüpper empfindet, war Flirten im Internet sehr lange 110 Grad peinlich. Bis eines Tages Myspace kam! Im Jahre 2004 wurde Myspace binnen kürzester Zeit zur weltweit beliebten digitalen Raucher-Ecke. Indiegirls, Metalheads und Rapper fanden sich hier zusammen wie einst am Fahrradstand vorm Jugendzentrum, um sich zu beschnuppern und Liebesbotschaften an die Mauern zu sprühen.
Dann hat sich Myspace selber erschossen und frustrierte Nachwachsende stupsen seitdem erfolglos Mädchen an, die sie auf Teilnehmerlisten von Konzert-Terminen bei Facebook finden.
Mit Fellody gibt es jetzt die erste Flirtbar im Netz, die sich voll und ganz darauf konzentriert, Menschen mit ähnlichem Musikgeschmack zusammen zu bringen. Ein Desktop-Client analysiert die Musik-Bibliotheken von iTunes, Windows Media Player oder Last.fm und mit einem selbst entwickelten Algorithmus werden dann andere Profile auf fellody.com abgeglichen und passende Flirtpartner gesucht. Das ist solange kostenlos, bis man Premium-Features nutzen möchte.
Schön ist: Man spürt an vielen Details, dass die beiden Gründer echte Musikfans sind und keine Businesskasper, die sich bloß dachten, die Idee klinge cool.
Der jährlich stattfindende Song-Wettbewerb „Sound of Dresden“ ist offenbar endgültig am Tiefpunkt angekommen. Die 50 Mark Website, auf der das Voting stattfindet, mag vielleicht noch als ironischer Retro-Spaß durchgehen, aber in Verbindung mit dem Niveau der meisten teilnehmenden Songs, ist das kulturell so wertvoll wie das Buchregal im 1 Euro Shop. „Ich habe Esel getroffen, die interessanter furzen können“, würde mein Onkel E. aus B. wohl anmerken.
Sound of Dresden – Qual der Ahnungslosen? Nein, einfach ein Songwettbewerb, an dem sich fast kein einziger ernst zu nehmender Act mehr beteiligt. Harry Bushh? Pretty Mery K? Garda? Der Anker? Mikrokosmos23? Gentle Lurch? Muzzy Mystery? Irgendetwas Elektronisches aus der Uncanny-Ecke? Nicht mal ein Spaßtrack (Porn & Cunthead zum Beispiel) findet sich. Halt! Einer doch. Die Tulpen! Aber sind Jungsenioren wie Preibisch und DNMK wirklich die Hoffnungen des Dresdner Nachwuchses?
Das ist jedenfalls nicht der „Sound of Dresden“, sondern zum größten Teil der Sound of German Proberaum. Das ist kein Vorwurf an die Bands: Am Anfang klingt man einfach so. Aber das kann nicht der Anspruch der etabliertesten Dresdner Bandparade sein! Sorry, aber entweder dem Dresdner (immerhin Stammspieler im zentralen Mittelfeld der Dresdner Kreativwirtschaft) fällt was ein, um das ganze auf ein neues Level zu hieven oder man sollte es ganz sein lassen.
Aber wie dem auch sei: Auch an die Künstler drei kleine Tipps: weiterlesen…
Wirklich viel zu entdecken gab es letzte Woche nicht (so viel Heimlichkeit you know) Aber trotzdem sind mir ein paar nette Dinger über den Weg gelaufen.
Bei Daniel Fiene zum Beispiel dieser Mash-up der 25 größten US-Hits des Jahres. Das hier ist schon schlimm genug („Das ist kein Mash-up, das ist ein Einheitsbrei“ sagt die Katze) , aber alleine der Gedanke an eine deutsche Version davon bringt mich um:
Dieses einladende Gourmegschäft hat Stephan „Böhler“ Böhlig in Zwickau beim Weihnachtsbummel entdeckt und ich bei ihm auffe Facebook-Wand. Wohl bekommt´s.
Während echte Trüffel schon lange nicht mehr – oder nur noch für Touristen – von „Trüffelschweinen“ gesucht werden (da sie beim Ausgraben großen Schaden an den Wurzelspitzen anrichten und zu viele Trüffel selber vertilgen), hat sich in der Popmusik seit den 60ern nicht viel geändert: Trüffelschweine sind stets auf der Suche nach dem neuen Sound, der tollsten Stimme, der unbekannten Rarität und dem perfekten Song. Sie kramen in Plattenkisten, wann und wo auch immer sie auftauchen. Sie frieren auf Flohmärkten, sind Stammgast bei den Konzerten mit den traurigsten Besucherzahlen und verlieren sich im Internet auf endlosen Reisen von Band zu Band. Bevorzugt Bands, die sich den Proberaum mit der Band teilen, die neulich als Vorband einer Band spielten, die man als Vorband einer australischen Singer/Songwriter-Combo vor 80 Leuten erlebt hat. Trüffelschweine sind mal akribischer mal spontaner und doch sind sie alle ziemlich mitteilungsbedürftig. Die einsame Freude der Philatelisten oder Kunstsammler ist ihnen eher fremd.
Obdachlos in der digitalen Welt
Seit man myspace lebendig begraben hat, sind echte Musikfans auf der Suche nach einer neuen digitalen Heimat. Sie bloggen und/oder gehen ihren Facebook-Freunden auf den Sack mit ihren Neu- oder Wiederentdeckungen und pflegen alle mehr oder weniger leidenschaftlich ein Profil bei Last.FM. Ich selbst probierte StumbleUpon, tumblr und Soup.io , um Streams von Youtube, Soundcloud, Vimeo etc. unkompliziert für mich, meine Freunde und den Rest der Welt in Playlists zu organisieren. Und doch vermisste ich das Musik-only Gefühl, das mich seinerzeit in den frühen Tagen von myspace gepackt hatte und vor allem entdeckte ich dort keine neue Musik sondern nur jede Menge Katzenvideos.
Kann musicplayr uns retten?
Für all die Heimatlosen hat Thorsten Lüttger musikcplayr ins Leben gerufen, einen Musicplayer für freiverfügbare Web-Musik. Und zum ersten Mal seit Langem habe ich das Gefühl, dass ich es mir dort gemütlich machen könnte.
Wie bei allen guten Plattformen im Netz gilt: musicplayr is simple as fuck. weiterlesen…
So, starten wir mal eine neue Serie. Sollte ja klappen, einmal in der Woche das Urhebrrecht und die Originalität komplett auszuklinken und stattdessen einfach mal einen kleinen Rückblick zu geben auf das, was ich in dieser Woche so gebookmarkt und fotografiert und ausgeschnitten habe.
Entdeckt in den Lieblingsvideos 2011 von GORILLA VS. BEAR – Ich bin noch ziemlich platt, dass ich die Band und das Video noch nicht kannte. Da dürfte demnächst noch mehr bei uns drüber zu lesen sein^^
Gesehen an der gebaustoppten Florana-Brache auf der Bautzner Strasse. Die Brache wird in Anlehnung an das Wiener Loch am Hauptbahnhof bereits als „Wiener Neustadt“ und „Bautzner Loch“ bezeichnet. weiterlesen…
In einer spontanen Aufbruchs-Stimmung wurde bei einem von den Sächsischen Grünen veranstalteten Netzwerktreffen der Dresdner Kreativwirtschaft am 29.10. der Plan geboren, einen Lobby-Verband zu gründen. Da ein Verein die realistischste und logischste Rechtsform für ein solches Vorhaben ist, war davon die Rede, bereits am Nikolaustag einen Verein zu gründen, in dem Vertreter bestehender Strukturen und EinzelkämpferInnen sich zusammenschließen. Die Vereinsgründung wird zwar am 06.12. nicht erfolgen, aber zu den Punkten gehören, die im Friedrichstadt Zentral diskutiert werden. Ein Verein sei zum derzeitigen Zeitpunkt zu verbindlich und auch wenn der Aufwand für die Gründung sehr gering sei, so mache doch die kontinuierliche Betreuung sehr viel (ehrenamtliche) Arbeit, daher wolle man erst einmal mit potentiellen Mitstreitern in die konkrete Diskussion eingehen und Versuch machen, als eine Art Überbau ohne eigene Rechtsform zu agieren.
Einladen tun unter anderem Liane Hoder (Projektschmiede), Kristine Schmidt-Köpf (Künstlerbund Dresden), Jana Betscher (Kulturmagazin Dresdner), Claudia Muntschick (Selbstständige Stadtentwicklerin und Architektin), Magnus Hecht (scheune), Maik Roßmann (weissgrau), Martin Fiedler (neonworx), Andreas Schanzenbach (Cromatics) und Felix Liebig (Metropole Pieschen). Sie definieren die Ziele für den Abend wie folgt:
Eine Stimme bilden: Kreative Potenziale sichtbar machen, Bedürfnisse und Interessen aufnehmen, kommunizieren, gegenüber Politik vertreten, Strukturen bedarfsgerecht praktisch mitgestalten, Agenda medial beeinflussen.