„Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens“ berichtete Max Goldt, Jahrgang 1958, Autor, Comic-Verfasser, Kolumnist, schon vor etwa 7 Jahren und er tut es noch immer. Mit großer Beobachtungsgabe und -lust erzählt er über Dinge, die wir so oft übersehen, in Worten, die sofort Bilder evozieren – oder provozieren. In seinem neuesten Werk „Die Chefin verzichtet“, erschienen im Herbst 2012 bei Rowohlt, erwähnt Goldt beispielsweise das Restbürgertum in Manufactum-Leinenanzügen, schreibt über Kinder in Matrosenanzügen, die dem „Kreiselpeitschen“ nachgehen und über Talkshowmoderatoren, -gäste & -zuschauer, die sich gegenseitig langweilen und doch Woche für Woche das Weltgeschehen bewegen, vermeintlich jedenfalls.
Max Goldt zu lesen, ist immer Vergnügen. Nicht nur, dass er in Vergessenheit geratene Worte reaktiviert, Hallodri zum Beispiel, Grobian oder Mauscheleien. Er tippt mit dem Finger in die Wunde Sprachverlust, betreibt stilvoll Stilkritik zwischen Satire und Klamauk, so dass man kichernd Bewusstwerdung betreibt – wenn man denn mag. Max Goldt lesend ist auch immer Vergnügen.
Das beste geistige Training ist der beständige Versuch, sich nicht nur an seinen letzten, sondern auch an seinen vorletzten Gedanken zu erinnern.
Da für die Veranstaltung am Samstag im Kleinen Haus nur noch eventuell Restkarten an der Abendkasse verfügbar sind, ist das hier weniger Veranstaltungshinweis als vielmehr Lesebefehl – egal für welches Goldtsche Werk man sich letztendlich entscheidet.
Ein Kind zu haben, ist manchmal die letzte Chance, erwachsen zu werden.“
Harald Martenstein, Kolumnist von ZEITmagazin und tagesspiegel liest Freitag nächster Woche aus „Wachsen Ananas auf Bäumen? Wie ich meinem Kind die Welt erkläre“ in der scheune. Darin: Geschichten über das Vatersein. Im Vorwort heißt es:
“Die Geschichten handeln von einem Vater und seinem Sohn, und sie sind wirklich passiert, im Großen und Ganzen jedenfalls. Das Vaterwerden und das Vatersein, darum geht es. … Es ist schön, Vater zu sein. Manchmal ist es anstrengend, manchmal ärgert man sich, und immer kostet es einen Haufen Geld. Aber hauptsächlich ist es schön.“
Ich habe das Buch kürzlich gelesen und mich sehr dabei amüsiert. Es geht witzig zu im Leben der Martensteins und – mit den Jahren, von der Geburt des Kindes bis zum erwachsenen Sohn – auch sehr reflektiert. Gute bzw. gut gemeinte Tipps aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, Urlaubsanstrengungen, Modenamen, Playstation, Autonomie, Kindergeburtstage, Fußballvereine und „das ist nur eine Phase“ finden sich als Themen ebenso wieder wie mitunter aufkeimende Aggressionen, denn:
„Die Liebe ist aber fast immer eine komplizierte und widersprüchliche Angelegenheit.“
Kirsten Fuchs, zu einiger Berühmtheit auf den Lesebühnenbühnen dieses Landes und durch die 3sat-Serie „Nicht der Süden“ gemeinsam mit Autorenkollegen Volker Strübing (u.a. auch Kloß & Spinne) gelangt, schreibt auch sehr viel. Kolumnen für Das Magazin zum Beispiel oder Bücher. Eine Frau spürt so was nicht habe ich kürzlich gelesen und da der Auftritt der Autorin in Kürze bevorsteht, tippe ich im Folgenden meine Meinung dazu, dies ist also gleichzeitig auch Rückblick #23.
Kirsten Fuchs schreibt keinen Frauenroman. Wir lesen nix von langen Fingernägeln und Fönwellen, Cocktailschirmchen und Parfüm, Männern in Maßanzügen oder Cabrios. Eine Frau wie Kirsten Fuchs lebt so was nämlich nicht. Behaupte ich jedenfalls. Das ist eine wie Du und Ich: Faul und schläfrig den ganzen Tag in Schlumpihose mit Kaffeebecher in der Hand durch die leicht chaotische Wohnung schlurfen. Mal so richtig feiern gehen, ordinär und laut dabei sein, aber immer noch niedlich. An Pincodes verzweifeln, die Katze ständig streicheln und insgeheim manchmal treten wollen, Oma anrufen, sich in Outdoor-Läden überfordert fühlen. Folgerichtig ist auch ihr Alfred eben Mann mit Bauch, ein Typ mit Gemüt. Es wird ein bisschen geätzt in diesem Buch, aber kumpelhaft. Es wird geflucht in diesem Buch, aber lustig. Dem Irrsinn eines stinknormalen Alltags noch Berichtenswertes abringen und damit nicht langweilen, das gelingt der Berlinerin (geboren in Karl-Marx-Stadt) mühelos.
Schatz und Liebchen zum Beispiel – die treffenden Beschreibung symbiotischer Paarbeziehungen. Oder die Ausführungen über Streitkultur unter Anleitung einer Lebensberatung – von CD versteht sich. Kinder – des Wahnsinns fette Beute, aber sooo süß. Die Mitdreißigerin beobachtet genau und formuliert deutlich, bleibt dabei aber so zynisch wie liebevoll. Man sollte das Buch vielleicht dosiert konsumieren, zwei drei Geschichten pro Tag, so hat man nicht nur länger etwas davon, sondern ermüdet auch nicht vorschnell am Humor der Autorin. Mein ganz persönlicher „Nachteil“ war, dass ich viele der Geschichten schon kannte – hatte ich doch just im Jahr vor Erscheinen des Buches ein Magazin-Abonnement und somit mehrere ihrer Kolumnen schon gelesen.
Dem Buch liegt eine CD mit zwölf Aufnahmen bei, die einen Eindruck davon hinterlassen, wie es am 7.3. (dem Nachholtermin vom November) zugehen könnte: Sehr lustig. Und sehr wahrhaftig.
Luise und Flo sind ein Paar und beschließen, endlich erwachsen zu werden. Sie suchen eine Wohnung, ziehen zusammen, schaffen sich ein gemeinsames Bett an und tanzen zu Manfred Krug durch ihre neuen Zimmer. Doch nach kurzer Zeit stehen sie im Flur nebeneinander wie zwei an der Raststätte vergessene Kinder. Luise hat das Gefühl, nur Erwachsen zu spielen. Irgendwie ist dieses Leben falsch. Als ob jemand plötzlich alles verwandelt hätte, die Regeln geändert für das Leben, ab dreißig oder so. Quarterlife Crisis: Darf man die zahllosen Möglichkeiten des Lebens einfach ignorieren und wie ungebetene Gäste vor der Tür stehen lassen? Wie kann man der Liebe vertrauen, wenn man nicht mal sich selbst vertraut? Wie konnte die Zeit nur so schnell vergehen? Und was fangen wir mit den nächsten zwei Dritteln des Lebens an?
So berührend wie lustig, ernsthaft und schlau erzählt Sarah Kuttner von der Sehnsucht und der Angst, ein eigenes, richtiges, erwachsenes Leben zu haben.
Sarah Kuttner wurde 1979 in Berlin geboren und arbeitet als Moderatorin. Sie wurde mit ihren Sendungen ›Sarah Kuttner – Die Show‹ (VIVA) und ›Kuttner.‹ (MTV) bekannt und arbeitete mehrfach für die ARD. Zuletzt war sie dort mit ›Kuttners Kleinanzeigen‹ und ›Ausflug mit Kuttner‹ zu sehen. Ihre Kolumnen für die Süddeutsche Zeitung und den Musikexpress wurden im Fischer Taschenbuch Verlag veröffentlicht. ›Mängelexemplar‹ (2009) war ihr erster Roman und stand wochenlang auf der Bestsellerliste.
Wenn am Donnerstag die Zeit erscheint oder am Sonntag der Berliner Tagesspiegel, dann gibt es viele, die diese Blätter nur wegen eines einzigen Textes kaufen: der Kolumne von Harald Martenstein! Seine Texte zum deutschen Alltag sind witzig, nachdenklich, sarkastisch, skurril, manchmal auch wütend. Sie stellen die Regeln der politischen Korrektheit auf den Kopf, oft balancieren sie auf dem schmalen Grat zwischen Literatur und Nonsens. Martensteins Roman Heimweg wurde 2007 mit der Corine ausgezeichnet. Nach zwei Kolumnensammlungen und dem Roman Gefühlte Nähe liest er aus seinem im Oktober erscheinendem Glossenband Ansichten eines Hausschweins: Neue Geschichten über alte Probleme.
»Kolumnen, die zurecht noch einmal in Buchform erscheinen – pointiert, intelligent und witzig. Die Texte sind eine Klasse für sich.« dpa, Andreas Heimann
„Tatar mit Veilchen“ beginnt auf einer tschechischen Dorftoilette. Hier sitzt Pepa, der Alltagsphilosoph, die intellektuelle Sonnenblume im Rammstein-T-Shirt. Als später „Der Große Kanaldeckelraub“ scheitert, flieht er aus seinem wunderbar verantwortungslosen Leben: Er fährt nach München.
Jaromir Konecny hält mit treffsicheren Formulierungen drei Generationen den verdreckten Spiegel vor, nie ganz ernst gemeint, aber immer übertrieben wahr und auf jeden Fall komischer als Chuck-Norris-Witze nach dem fünften Bier, auch wenn einem das Lachen manchmal im Halse stecken bleibt. Hier nimmt einer kein Blatt vor den Narrenmund. „Der genialische Jaromir Konecny … wunderbar feinsinnige Gedanken zur Ost-West-Verständigung.“ Süddeutsche Zeitung
Jaromir Konencny wurde 1956 in Prag geboren. Er arbeitete u.a. als Techniker in Libyen, in der Metallindustrie und als Schiffsmeister. 1982 Emigration in die Bundesrepublik. Ein Jahr in einem Sammellager in Niederbayern. Diverse Jobs. Studium der Chemie an der Technischen Universität München und Promotion über die Entstehung des genetischen Codes. Er veröffentlichte u. a. in Die Zeit, Titanic und der Süddeutschen Zeitung, außerdem erschienen mehrere Erzählbände und Romane. Er gilt als einer der bekanntesten Autoren der Bühnenliteraturszene.
Unter dem Druck der Verschuldung von Staat und Kommunen sowie dem anhaltenden Desaster der ‚Finanzwirtschaft‘ wächst auch der Druck auf Kreative und Kulturbudgets. Wie schaffen kreative Akteure mit künstlerischem bzw. human-kulturellem Anspruch den Spagat zwischen zunehmend digitalisierter bzw. vernetzter Lohnarbeit und kreativer Selbstverwirklichung?
Kein unspannendes Thema und ein vieldiskutiertes noch dazu landet hier also auf der Agenda. Sofort müssten Wirtschaftsförderung, Stadtentwicklung und Kulturamt Betriebsausflüge planen, wird doch Kreativwirtschaft in dieser unserer Stadt aktuell von allen Seiten beleuchtet, auseinandergenommen, neu zusammengesetzt und genetzwerkt, was das Zeug hält.
Wahrscheinlich rede ich mich mit den folgenden Zeilen um Kopf und Kragen, vielleicht aber sind sie auch nur Anstoß und/oder Inhalt zukünftiger Diskussionen. weiterlesen…
25. Oktober 2011 22:00 Uhr Chemiefabrik, Dresden Eintritt frei (Spende)
Einlass ab 20 Uhr
Dirk Bernemann hat ein neues Buch geschrieben. Trisomie so ich dir erschien am 7.10. im neuen Unsichtbar Verlag und bevor es meinen Stapel mit den „bald lesen“-Büchern um knappe zwei Zentimeter erhöht, lasse ich mich am Dienstag von Herrn Bernemann persönlich zum Kauf anstiften. Oder eben nicht.
»Roy hat ein Herz aus Pudding, Solveig züchtet Illusionen und Ingeborg muss am Ende ihres Lebens ihre Liebe halbieren. Die Leben dreier Menschen kollidieren, antriebsgestört, gefühlsüberfüllt und impulsbescheuert. Dabei passieren unnacherzählbare Dinge, bei denen nicht nur Gott lieber wegschaut.
Dirk Bernemann erzählt die verstörenden Biographien von drei Zufallsexistenzen, deren Lebenswege wie Regentropfen an der Fensterscheibe zusammenlaufen. Dazu benutzt er eine Sprache, die gleichzeitig dokumentiert und herzergreifend berührt.
„Die alte Frau denkt sich, wie sie Roy so ansieht und ihn mit ihren Geschichten ohrfeigt, was er denn schon von der Welt weiß und traut ihm lediglich Kindergefühle wie Geburtstagschönfinden oder Eisdielenwarteschlangengefühle zu. Ja, denkt sich Roy, was weiß denn er schon von der Liebe, außer das sie das Großartigste, Erstrebens- und Erlebenswerteste ist, was er sich in seinem Kopf zurechtphantasieren kann.“«
Wohnen als Ausstellung: friedrichStadtZentral lädt am Freitag zu einem Lese- und Gesprächsabend ein. Vorgestellt wird das Projekt 2-3 Straßen von Jochen Gerz.
Aus der Einladung:
»Hinter jeder Wand leben kreative Menschen – die meisten wissen es nur noch nicht.« Jochen Gerz
Ob aus Moskau, München, Berlin oder Tokyo – 78 Menschen brechen auf. Sie sind eingeladen für ein Jahr mietfrei in der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 zu leben. Sie beziehen leerstehende Wohnungen in drei ganz normalen Straßen in Dortmund, Duisburg und Mülheim an der Ruhr. Sie sind gekommen, um sich zu verändern. Und um gemeinsam mit ihren Nachbarn die Straßen zu verändern, in die sie ziehen. Denn wer sich verändert, sagt das Sprichwort, verändert die Welt … weiterlesen…