Nach der Veröffentlichung ihres umjubelten und immer noch heißgeliebten Debütalbums Dark Eyes, gut zwei Jahren auf Tour um die halbe Welt und einer Auszeit, die das Quartett aus Montreal zum Surfen und Songschreiben in Kalifornien verbrachte, gibt es seit vergangenen Freitag endlich ein zweites Album von Half Moon Run. Und da, wo die ersten, mit hohen Erwartungen überfrachteten, Durchläufe von Sun Leads Me On ratlos, beinahe enttäuscht verklingen, führt alles bisher dazu Geschriebene und Gesagte nicht wirklich weiter. Während sich aus der Presseinfo zum Album ein absolut naheliegendes (Band-)Burnout herausliest; zerbröselnde Beziehungen, Heimweh und Müdigkeit thematisiert werden und nicht nur der Opener, Warmest Regards, erahnen lässt, wie schwer es der Band gefallen sein könnte, den Antrieb und die kreative Energie für das schwierige zweite Album zu finden (»I wait, and I wait, to make a new start / A new beginning, but it feels like the end / And it takes one to know one / And I’m really not sure / If I can put things back together like before«), schreibt Devon Portielje im Newsletter zur Veröffentlichung: »I’d like to tell you that making the album was easy and fun,…«. Ja, wie denn nun?! »…But it’s not like that. Life isn’t like that.« Ah!
Es hat den Anschein, als winde sich die Band darum, auf den Punkt zu kommen. Stattdessen finden Devon und Connor beim Reeperbahn Festival ausweichende Antworten auf Interviewfragen und zerschlagen belächelnd Ray Cokes‘ Interpretationsvorschläge. Das frustriert auf der einen Seite, weil man doch so gerne mehr erfahren und verstehen will, beschreibt auf der anderen aber den Eindruck, den auch Sun Leads Me On hinterlässt. Das Album bleibt wenig greifbar und so wechselhaft, wie alle Kommunikation dazu und darüber. Die Songs laufen in alle Richtungen und durchstreifen dabei die Genres von Country-Folk (Devil May Care; großartig!) über Kitsch-Momente (Hands In The Garden) und den typischen Half Moon Run-Sound (It Works Itself Out) bis zur tanzbaren Synthie-Nummer (Trust). Das erzeugt und hält zwar eine gewisse Spannung, wirkt über Albumlänge aber eben auch ermüdend zusammenhangslos. Dazu lässt sich in kryptische bis klischeehafte Textzeilen alles Mögliche hineindeuten, vielleicht aber auch nichts. Es fehlt den Kommentaren der Band zur Entstehung des Albums wie dem Album selbst an Klarheit und Tiefe und immer wieder drängelt sich die Frage dazwischen: Haben die nichts zu erzählen oder bloß keinen Bock drauf?
Erst beim wiederholten Hören von Sun Leads Me On schälen sich Details und Lieblingsmomente hervor, beginnen markante Gesangslinien, instrumentale Spielereien und Verweise aufs Debüt, richtig Spaß zu machen. Und auf einmal, fast unmerklich, haben sich diese Songs eingeschlichen, verknüpfen sich mit den eigenen Lebensereignissen und -stimmungen und konservieren diese für später. Manchmal bekommt man eben nur einzelne, lose Lebenszipfel zu fassen, deren Zusammenhang erst im Rückblick erkennbar wird.
Im Februar 2016 sind Half Moon Run mit den neuen Songs noch einmal auf Tour in Deutschland. Wer sie sehen will, sollte sich sehr bald mit Tickets bevorraten:
17.2. Köln, Gloria
23.2. Hamburg, Fabrik
24.2. Berlin, Heimathafen
28.2. München, Technikum