Verloren, wütend, hibbelig: Mikrokosmos23 über ihr neues Album

· 18.01.2013 · Keine Kommentare
19. Januar 2013
21:00 Uhr
Ostpol, Dresden
AK 4€

Am 25. Januar erscheint das neue Album Alles lebt. Alles bleibt der „Dresdner“ Band Mikrokosmos23 auf Unter Schafen Records. Dresden in Anführungszeichen, da die Bandmitglieder außerdem in Halle und Chemnitz zu Hause sind (allerfeinste Mikrokosmen also). Wir haben sie ein wenig ausgefragt.

Moin Jungs! Wir hatten ja das erste Mal vor circa zehn Jahren Kontakt. Ich glaube, ich hatte Euch auf myspace „entdeckt“ und als selbsternannter größter Dackelblut- und Boxhamsterfan in Dresden hat mir Eure ungestüme Art sehr gut gefallen, obwohl damals ja gerade eine Welle losging mit lauter Bands, die versucht haben, wie Dackelblut zu klingen und mir „Deutschpunk“ für eine Weile ziemlich vermiest haben. Ihr ward da eine der wenigen positiven Ausnahmen, die nicht nach allzu gewollter Kopie wirkten. Erzählt mal: Wann habt Ihr Euch gegründet, woher kennt Ihr Euch und was waren die Bands, die Ihr damals am geilsten fandet?

Peter Löwe: Wenn mich nicht alles täuscht, haben wir 2004 unser erstes Konzert gespielt. Ich war wohl 14 oder 15 Jahre alt und wir haben spaßige Lieder gegen Bullen gesungen. Solide Sache. Richtig angefangen hat das dann ungefähr ein Jahr später. Da hat sich langsam herauskristallisiert, in welche Richtung es musikalisch gehen wird. Die Band MIKROKOSMOS23 wurde damals auf einem Konzert von Tagtraum und d.h. gegründet. Zwei großartige Bands, die uns merken ließen, was wir wollen. Später haben wir die alten deutschen Punk- und Emo-Bands für uns entdeckt und unseren damaligen Sound zusammengefummelt.
Wir haben uns in der Schule kennengelernt. Toni, unser damaliger Bassist und Tom haben zusammen ein bisschen Punkrock gespielt und heimlich Bier getrunken und ich bin dann dazugestolpert.

Tom Pätschke: Myspace soll wieder in sein, erzählt man sich!

Was ist seitdem passiert? Wie liest sich Eure Bandgeschichte im Schnelldurchlauf?

Peter Löwe: Wir haben viele Konzerte gespielt, viel erlebt, bringen diesen Monat unser drittes Album raus und freuen uns wahnsinnig darauf, wieder auf Tour zu gehen und noch mehr zu erleben. Sehr viel mehr ist nicht passiert, haha.

Tom Pätschke: Peter hat Recht – grundlegend bedeutet diese Band, dass man mit seinen besten Freunden wegfahren und unglaublich viel erleben kann. Das ist großartig. Durch die Platten, die wir bisher rausgebracht haben, durften wir neben Touren auch große Festivals spielen, ins Ausland fahren oder bisher unbekannte Terrains wie Fernsehen und Radio kennenlernen … Bin sehr gespannt, was dieses Jahr alles passieren wird.

In wenigen Tagen (VÖ 25.01.2013) erscheint „Alles lebt. Alles bleibt“ – Ein durchaus dramatischer Titel, ein ambitioniertes Label, bei dem auch die nächste Blackmail-Scheibe erscheinen wird und die Skyline von Hongkong (oder?) auf dem Cover: Das alles sieht nach „großem Wurf“ aus und nicht mehr nach den netten Jungs von nebenan, die mal ne Platte machen.

Peter Löwe: Nett sind wir immer noch! Ob das der „große Wurf“ wird, wird sich zeigen. Wir sind ja selbst total gespannt, wie das Album bei den Leuten ankommt. Fakt ist, dass wir nicht einfach mal so nebenbei ein Album aufgenommen haben. Da steckt verdammt viel Herzblut drin und natürlich freut man sich, wenn es einigen Leuten gefällt und das gewürdigt wird, wofür man sich seit Jahren den Arsch aufreißt. Damit meine ich nicht, dass ich vorhabe, mir von diesem Album ein goldenes Einfamilienhaus zu kaufen.

Wollt Ihr es jetzt so richtig wissen? Beschreibt doch bitte Entstehung, Intention und Musik auf der neuen LP!

Peter Löwe: Die Entstehung des Albums war ein ziemlich langer Prozess. Wir haben die Songs zu dritt geschrieben und uns musikalisch sehr frei gemacht. Das Album sollte in alle Richtungen offener sein und das ist uns gelungen. Die Zeit im Studio war auch sehr wichtig – wir haben mit unserem Produzenten und den ganzen Leuten, die an der Platte mitgewirkt haben, sehr gut harmoniert, sodass wir ein sehr rundes Ergebnis haben.

Tom Pätschke: Wir haben diesmal viel mehr zugelassen und uns Zeit genommen. Wir haben uns frei gemacht und sind die Wege gegangen, die sich gerade richtig angefühlt haben. Es gibt Streicher und Bläser, es ist eingängiger als alles zuvor und dennoch viel verkopfter – es ist irgendwie die logische Fortführung von allem bisher. Das ist genau richtig so. Die Musik jedoch zu beschreiben, fällt uns allen sehr schwer. Logisch ist, dass sich fast keine Band im Kreis dreht und sich somit auch alle Definitionen im Wandel befinden – aber irgendwie finde ich, dass Begriffe wie „Emopunk“ oder „Posthardcore“ für uns langsam aber sicher am Ziel vorbeigehen bzw. irgendwie viel zu eng geschnürt sind.

Wie kam es zu dem Cover? Was ist die Botschaft?

Peter Löwe: Das Bild ist von Rosie Hardy, einer Fotografin aus Manchester. Sie hat mit diesem Foto ganz großartig das Gefühl der Verlorenheit eingefangen. Verloren, erschöpft, traurig, wütend – Alles Gefühle, mit denen man am Ende selbst klarkommen muss. Das hat uns sehr gut gefallen und trifft den inhaltlichen Kern des Albums auf den Punkt.

Mal zu den Texten: Worum geht es? Wer schreibt sie? Wie lange braucht Ihr für einen Text? Hat sich der Prozess verändert? Seid Ihr anspruchsvoller an Euch selbst?

Peter Löwe: Die Texte schreibe ich, Peter. Der Entstehungsprozess eines Textes ist irgendwie immer unterschiedlich. Manchmal kommt man nach Hause und schreibt einfach was runter, weil man sich auf dem Heimweg Gedanken über irgendwas gemacht hat. Manchmal fällt einem was ein, was vor Jahren Mal passiert ist, was einem auf einmal wichtig vorkommt. Ich kann und will das nicht pauschalisieren. Jeden Text verbinde ich mit dem Moment, über den ich singe und den Zeitpunkt, in dem ich den Text aufgeschrieben habe. Das sind immer zwei Ebenen. Eine davon ist manchmal wichtiger als die andere, was dazu führt, dass das immer alles ganz konfus wirkt, wenn ich versuche, über Texte zu sprechen, haha. Ich denke, die thematischen Eckpunkte des Albums kann man mit Liebe, Zukunft und Vergangenheit festmachen. Ich denke, ich bin grundsätzlich anspruchsvoll, wenn es um Texte geht. Ob nun bei mir oder bei der Musik, die ich höre, ja.

Stichwort Dresden. Ich jammere ja gerne, dass diese Stadt nur für Gemütlichkeit, Melancholie und Alte Geschichte steht. Revolution (politisch und popkulturell) findet woanders statt. Fühlt Ihr Euch darin wohl oder vermisst Ihr den Puls des Neuen? Oder empfindet Ihr die Stadt ganz anders?

Peter Löwe: Da fragst du den, der in Chemnitz wohnt, haha. Ich denke aber, ich bin aussagekräftig zu diesem Thema. Ich fühle mich in Dresden sehr wohl, aber die Stadt ist zu groß, um ein grundsätzliches Statement in irgendeine Richtung abzugeben. Dresden hat popkulturell seine Highlights – unsere Anlaufstelle war schon immer das AZ Conni. Wenn eine Stadt ein unabhängiges Zentrum hat, kann man sich schon mal glücklich schätzen. Da weht mit jeder Band, die da spielt, ein frischer Wind.

Demnächst geht es auf Tour. Seid Ihr da eher professionell und organisiert oder feiert Ihr ausgelassen und genießt die Freiheit?

Peter Löwe: Der Mittelweg ist wohl der Beste, wobei wir doch eher Richtung Freiheit tendieren. Wir haben in so vielen Städten gespielt, da wird man automatisch hibbelig. Es ist ein tolles Gefühl, loszufahren und die Musik zu spielen, die man liebt.

Warum sollte man zur Record Release Party kommen?

Peter Löwe: Da gibt’s Bier und gute Musik!

Nachtrag: Das Video zu „Wie kommst Du an?“ gibt es bei noisey..

twitter share buttonFacebook Share