Reise im Mondlicht – Antal Szerb

· 25.02.2012 · Keine Kommentare

Rückblick #22 – vorher gab es den hier

Mihály (36) ist mit Frau Erzsi (Die ideale Repräsentier- und Hausfrau … bis ins Mark konform) auf Hochzeitsreise in Italien. Ein bürgerliches, angepasstes Leben in vernunftbasierter Ehe steht den beiden bevor, wenn, ja wenn Mihály nicht vorübergehend ausbrechen würde aus dem Konstrukt Bürgerlichkeit. Die Begegnung mit seinem alten Bekannten János Szepetneki, einem Schwätzer und Hochstapler, weckt die Geister seiner Jugend. Kurz darauf steigt Mihály „versehentlich“ in den falschen Zug, fährt in eine andere Richtung als seine Frau und tritt die Reise zu sich selbst an.

Umhüllt von stimmungsvollen Bildern italienischer Städte und Landschaften erfahren wir in Rückblenden vom Geschwisterpaar Tamás und Evá Ulpius, die sich Konventionen widersetzend und von einer geheimnisvollen, morbiden Aura umgeben, Mihály, János und andere Freunde in der Jugend stark beeinflussten. Mit Tamás (voller Todessehnsucht) und Evá (schön, exzentrisch und rätselhaft) improvisierten die Freunde Theateraufführungen, tranken heftig und verloren sich in dieser Konstellation aus Liebe, Leidenschaft und Abhängigkeit im „Ulpius-Kreis, der für Mihály die einzige Realität darstellte“.

Mihálys Sehnsucht nach der Jugend, den alten Freunden und sein beinahe fiebriges Umherirren in Italien bringen ihn zu der bitteren Erkenntnis, „was ihn bei seiner Flucht eher instinktiv gesteuert hatte: wie sehr er sein erwachsenens oder pseudo-erwachsenes Dasein für verfehlt hielt, seine Ehe inklusive, und wie wenig er wußte, was er anfangen sollte, was er von der Zukunft noch zu erwarten hatte und was er machen sollte, um sich selbst zu finden.“ Seinen eigenen Interessen nie folgend steckt Mihály mittendrin in der Midlife Crisis, wie man es wohl heute nennen würde.

Die permanente Anwesenheit des Todes in diesem Roman ist etwas anstrengend und die Suche nach dem Sinn des Lebens oft sehr pathetisch, aber Antal Szerb, der „Reise im Mondlicht“ 1937 schrieb, ist auch gnadenlos spöttisch und sehr genau in seinen Beobachtungen. Wirklich sympathisch wurde mir dennoch nicht einer der Protagonisten.

Nach einigen Irrungen und Wirrungen – jeder ist auf irgendeine Weise mit dem anderen verbunden – löst sich der Knoten auf: Erzsi und Mihály gibt es als Paar nicht mehr, Mihály kehrt resigniert zurück in sein angepasstes Leben und hofft: Und solange man lebt, weiß man nicht, was noch geschehen kann.

Und wie halten sie das Leben aus?

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