French Films und Nezzer: Fünf Freunde auf der verbotenen Insel

· 28.10.2011 · Keine Kommentare

Der einzige Fehler, den die finnische Band French Films in diesem Jahr wahrscheinlich gemacht hat, dürfte die Foto-Session auf einer kleinen, idyllischen, skandinavischen Insel gewesen sein. Zu sehr hat man die Bilder von Utoya noch vor den Augen, um bei den fünf jungen Menschen auf der Insel nicht an Amok und Angst denken zu müssen. Aber das kann man ihnen natürlich nicht vorwerfen, zumal die Bilder ziemlich sicher vor den schrecklichen Ereignissen entstanden sind.

Jenseits der „verbotenen Insel“ machen die fünf Freunde aber so ziemlich alles richtig. Viele Konzerte gespielt und eine neue Platte eingespielt, auf die sie die europäische Indie-Szene beim Reeperbahn-Festival und während der Berlin Music Week geschickt vorbereitet hat. „Imaginary Future“ erscheint am 11.11. beim finnischen Kreativpool GAEA. Ein Album, dass die Band als eine Ode an die Jugend und an die, die im Herzen noch jung geblieben sind, bezeichnet und da wären wir auch fast schon wieder mitten drin im Enid Blyton Taschenbuch. Aber Finnen wären keine Finnen, wenn es da nicht auch eine nachdenkliche, schwermütige Ader gäbe…

I went to heaven to get advice I asked for God but he didn’t have time (…)
I went downstairs just to get well But I didn’t have a soul left to sell….

Es sind wahrscheinlich Zeilen wir diese aus der heute erscheinenden Single “ Pretty In Decadence“, die die Promofirma veranlasst, über die French Films zu schreiben, dass sie „einen musikalischen Nerv treffen, der Nachdenklichkeit und Glückseligkeit unnachahmlich gut verbindet.“

Der Gesang dürfte auch nicht ganz schuldlos sein, der unschwer eine Vorliebe für The Cure und Joy Division erkennen lässt. French Films sind ziemlich britisch für eine finnische Band: Bei aller Traurigkeit und Romantik bleibt immer der tanzbare Britpop-Beat im Vordergrund. Pulp schwebt im Raum, Blur klingt leise an. Imaginary Future ist eine Platte für unsanierte Studentenzimmer mit Plattenspieler auf dem Echtholz-Parkett. Wird Berlin erobern und in Dresden eine Menge Fans gewinnen :-)

Nezzer – Kühe, Schweine, Indierock

Die rockigere Joy Division-Variante fahren Nezzer aus Osnabrück. Ebenfalls fünf Freunde, die mit John Peel und Enid Blyton aufgewachsen sind, die aber weniger britisch schrammelig daherkommen als ihre finnischen Kollegen und mehr Darkwave in ihren Indierock betten. Da klingen The Mission durch, ein wenig New Model Army und immer und vor allem unverkennbar Joy Division. Dass mich das nicht 100%ig packt, liegt vor allem am Gesang, mit dem ich nicht so viel anfangen kann. Ich hab das ungute Gefühl, da versucht jemand, bedeutender (oder pathetischer) zu klingen als er (als Sänger!) ist. Aber das ist Geschmacksache. Andere lieben die Band genau dafür! 100 Extrapunkte gibt es dafür, dass es das frisch erschiene Album „Red Plastic“ auf CD ausschliesslich im Package mit einer 180 Gramm schweren LP in knallrotem Vinyl gibt. So muss das sein!

Vielleicht spielen beide Bands ja irgendwann mal zusammen in Osnabrück, wo man mit der für Finnen typischen Selbstironie und der Weite des Landes geschuldeten Melancholie durchaus klar kommen sollte. Da singen die Fans des VFL gerne von „Kühen und Schweinen“, um die ländliche Umgebung zu feiern. Oder im nahen Lingen, da gab es doch so einen wunderschönen Club in einem ehemaligen Kino. Das dürfte den Finnen nicht nur wegen ihres Bandnamens gefallen…

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