Jede Woche ein Buch. Die Erfahrung lehrt: Eine Woche hat hier 14 Tage. (Die Aufholjagd läuft!) Rückblick #7
Niall Lenihan, Dank Stipendium Literaturstudent am ehrwürdigen Trinity College in Dublin, trifft auf eine Gruppe
Verwirrter Mitstudenten, die einem seltsamen Kult frönen: Stelle eine (gern auch unbedeutende) Frage und erhalte darauf die Antwort durch eine willkürlich gewählte Textpassage. Dein Leben wird fortan aus Trancezuständen, Hedonismus und Geheimbundparanoia bestehen. Dass sich Niall bei diesen Aktivitäten von einem Durchschnittsleben entfernt, ist nachvollziehbar. Obsessiv und an Wahnvorstellungen leidend, schlägt sich der Junge durch das Dubliner Nachtleben und teilt (mit) dem Leser seine zunächst unklare, dann aber thematisch überstrapazierte Homosexualität (mit). Der Leser aber leidet im Gegensatz zum Protagonisten kaum an Schlaflosigkeit, dafür ähneln sich wiederkehrende Handlungen und Aussagen in zu ermüdendem Ausmaß. Niall bleibt nicht nur wegen des ungesunden Lebens, das er führt, reichlich blass. 425 Seiten lang wartet man auf Erkenntnisse oder überraschende Wendungen. Leider umsonst.
Sich geradezu überschlagenden Pressestimmen wie:
»Ein bisschen Eco, ein wenig García Márquez, eine Prise Joyce, Nabokov und Proust – mit „Die Poeten der Nacht“ ist Barry McCrea ein äußerst kluger Roman über die Welt der Bücher gelungen.« sind in meinen Augen völlig haltlos. Oben genannten Autoren gelingt es tatsächlich, Charaktere zu schaffen und nicht Schatten; Geschichten zu erzählen, ohne sich dabei in Wiederholungen zu verlieren und über viele hundert Seiten die Spannung zu halten – ganz ohne zwanghafte Konstruktion turbulenter Ereignisse.
Und so reicht es, Die Poeten der Nacht irgendwo in der Mitte aufzuschlagen und die nächsten zehn Seiten zu lesen. Danach ist es nur noch Wiederholung.
Wer die Vermengung von College & Sprachexperimenten sucht, ist mit Die geheime Geschichte oder Der Club der toten Dichter weit besser beraten. Wer in Dublin bereits auf Entdeckungstour war und auch das Trinity College kennt, wird sich irgendwie durch das Buch hangeln können. Auf meinem Exemplar wird sich ab heute wohl Staub absetzen. Sollte mein Blick nochmals darüber schweifen, wird es lediglich Erinnerungen an einen Dublin-Trip hervorrufen, die Geschichte selbst haben die Poeten der Nacht bzw. Autor Barry McCrea ohne Nachhall verfasst.