Manchmal muss man selber gar nicht so viel tun, um Erfolg zu haben, sondern kann herrlich faul am Tun anderer partizipieren. Wer über der Kaffeekranz-WG zweier älterer Damen lebt, muss weniger heizen, wer lang genug in einem Coffeeshop sitzt, wird von alleine irgendwann breit und eine reiche Tante in Kanada hat auch noch keinem geschadet… Aber egal. Auch und gerade im Tourismus gilt jedenfalls: Gute Nachbarschaft kann nicht schaden. Und so könnte Dresden demnächst von einem Prag-Boom profitieren, wie es ihn schon seit vielleicht 20 Jahren nicht mehr gab.
Seit dem 01.01.2010 nämlich sind in Tschechien der Besitz und der Konsum kleiner Mengen Drogen nicht mehr strafbar. Ne handvoll Glückspillen, Pappen oder ein Gramm Schnee dürfen abenteuerhungrige Collegestudenten aus Wisconsin oder angehende Maschinenbauingenieure aus Neuruppin also ab sofort zwischen Prag und Liberec konsumieren, ohne Gefahr zu laufen, kafkaeske Knasterfahrungen zu sammeln.
Das ist wesentlich liberaler als Holland es je war, wenngleich es im Gegensatz zu Holland keinen legalen Verkauf gibt, was die Sache natürlich etwas verkompliziert. Dennoch, es wird sich rumsprechen in der Welt und bietet natürlich riesige Chancen für Dresden, um mit seinen ureigensten (sprich: konservativen) Werten zu protzen und zu locken als sicherer Ausgangspunkt für den postpubertären Partytrip auf LSD oder als Fluchtoase für überfeierte Backpacker oder den tschechischen Mittelstand.
Folgende Reisemodelle dürften daher in naher Zukunft zum Standardprogramm Dresdner Incoming-Agenturen gehören:
VARIANTE 1 – Let’s Take A Trip
Die Zielgruppe:
BWLer, Maschinenbauer, Pädagogen, die „früher mal“ echt wilde Kerle waren (Uralt 68er (Kiffen und LSD), Alt 84er (Koks) und Alt 95er (Ecstasy)) oder es heute noch sind (Rock am Ring Besucher).
Die Urlaubsgestaltung:
Freitags nach Feierabend verlassen klimatisierte Reisebusse Hagen, Lüneburg und andere deutsche Partymetropolen um pünktlich gegen 22:00 Uhr in einem freundlichen Dresdner Hotel anzukommen. Nach dem Frühstück wird sich am Samstag mit aufgeregt feuchten Händen inmitten diverser anderer Busreisegruppen durch Dresden geschoben. Etwas erschrocken und enttäuscht vielleicht, dass man keinen Eintritt ins Grüne Gewölbe erhält und für die Frauenkirche länger anstehen muss als im Signal Iduna Park in Dortmund und darüber, dass man beim besten Willen keinen Nazi entdeckt hat, aber doch zufrieden mit dem Schnäppchen im Museumsshop.
Pünktlich 17 Uhr fährt der Bus nach Prag und mündet direkt in eine kurzweilige Stadtführung durch den versprochenen szenekundigen Reiseführer, welcher beiläufig erwähnt, welche Clubs man unbedingt meiden sollte, weil dort die eine oder andere Droge konsumiert würde. „Glauben sie es oder glauben sie es nicht, Herrschaften: Aber das Rauchen von Marihuana in diesen Cafe ist ein Hobby der Mitarbeiter von der Firma Deutsche Bank. Gehen sie nicht da hinein!“
Eine eindeutige Warnung, oder? Ok, wahrscheinlich von den Cafebesitzern eher bezahlt als bestraft, aber Marktwirtschaft ist eben auch ein echt vertracktes Spiel.
Die Stadtrundfahrt jedenfalls endet pünktlich 22:00 Uhr am Wenzelsplatz, wo schon die Taxifahrer warten, um die deutschen Hobbyjunkies zu den hastig auf Servietten notierten Clubadressen zu bringen. Den Rest kann man sich denken, der soll hier nicht näher beschrieben werden, was geht uns auch das Nachtleben Prags in dieser Kolumne an? Abfahrt nach Dresden also ist Punkt 5:00 Uhr morgens, in Dresden erwartet einen das Katerfrühstück „August der Starke Kaffee“ und ein sauberes Hotelbett.
Um 18 Uhr wird der Bus gepackt und in einem gemeinsamen Spaziergang läuft man zu den Filmnächten am Elbufer zur Vorpremiere von „Drei Rohr Hasen“. Direkt nach dem Abspann wartet der Bus schon am Parkplatz und ab geht es im Nachtbus nach Hause.
Die Werbemaßnahme:
Beworben wird eine Kulturreise nach Dresden mit einem Ausflug nach Prag inkl. Führung durch ausgewiesene „Szenekenner“. Den Rest erledigen Reiseveranstalter, die ansonsten Fußballfans oder Reisen zu U2 Konzerten organisieren.
Der Aua-Dialog:
„Nach Dresden fährst Du?“ „Ja, toll, oder? Sogar mit einem Ausflug nach Prag“ „Achso, willst Du wohl mal Ecstasy rauchen, wie? Hahahaha“ „Quatsch, aber das soll echt schön sein da an der Donau“
VARIANTE 2 – Chillout after the Hippiescheiße
Die Zielgruppe:
Backpacker und Interrailer, die sich gerade drei Tage lang in Prag den Kopf weggebolzt haben und jetzt nichts dringender wollen als saubere Bettwäsche, saubere Gehwege, ein wenig deutsche Kultur fürs schlechte Gewissen und die Postkarte an Oma, ehrliche Taxifahrer und Brötchen ohne Kümmel.
Die Urlaubsgestaltung:
Aus Wien oder direkt aus Boston kommend endlich in Prag eintreffen und danach einfach alles geben bis irgendwie gar nichts mehr geht, einem die Prager Taxifahrer auf die Nerven gehen, man keine Portraitzeichner mehr sehen will und im Hostel schon zum dritten Mal hintereinander jemand in den Schlafsaal gekotzt hat.
Die Werbemaßnahme:
Twitter-Bot, der auf das Keyword „Prague“ in allen Sprachen reagiert! Auf jeden Tweet wird ein automatischer Replay gesendet mit dem Satz:
@sax_pistol Total Hangover in Prague? Chill out in Dresden, mate! The heart of Saxony and the place for comfortable boredom on the highest level! Clean and cheap and very close!
VARIANTE 3 – Knödel-Holländer
Die Zielgruppe:
Total genervte Tschechen.
Das kann kein Mensch aushalten, was dort ins Land strömen wird, das sieht man an den Holländern. Geschätzt verbringen ja z.B. nur 5% aller Einwohner Amsterdams den Sommer in ihren eigenen vier Wänden. Der Rest flieht vor den euphorisierten Haschpilgern mittels kleiner Häuser auf Rädern an die Nordsee, in die Eifel oder was weiß ich wohin.
Der Absatz von Wohnwagen in Tschechien sollte also eindeutig stark belebt werden, was auch gut für die Produktionsstätten der Oberlausitz sein sollte. Für Dresden und Umgebung heißt es vor allem, Dauercampingplätze zu vermieten an unsere Nachbarn.
Die Urlaubsgestaltung:
Siehe -> Dauercamping
Die Werbemaßnahme:
Briefmailings an den Prager Mittelstand mit der Einladung, den Sommer auf einem gepflegten, garantiert drogenfreien, deutschen Campingplatz zu verbringen.
Wird bestimmt geil!
21. Januar 2010 um 15:03 Uhr
Weiß zwar, was Du willst, finde die Darstellung aber übertrieben bis albern. Vielleicht führt die liberale Drogenpolitik unserer Nachbarn dazu, dass sich auch hier mal was ändert. Die Kriminalisierung der Eigenversorger und Kleinverbraucher ist längst nicht mehr zeitgemäß.
21. Januar 2010 um 15:51 Uhr
„Übertrieben und albern“ schließen sich nicht aus und sind durchaus gewollte Elemente dieses Artikels. That´s right!
Ich für meinen Teil stehe vielen Gedanken der Legalisierung durchaus offen gegenüber! 1. denke ich, daß die Illegalität viel zu viele Jugendliche zu Dealern (und somit zu Konsumenten auch härterer Drogen macht) und zweitens daß sich tatsächlich viel zu viele Prozesse um Kleinstkriminelle drehen und somit wertvolle Justiz-Ressourcen verstopfen (siehe auch-> Anordnung zur IP Verfolgung bei illegalen Downloads). Mal ganz abgesehen von den Abermillionen Steuergeldern, die bei einem legalen Verkauf von THC erwartet werden können. Aber ich bin weder Jurist, noch Experte für Drogenkriminalität. Dafür aber ab und an mal albern. Sorry, wenn ich Dir damit auf den Schlips getreten bin
21. Januar 2010 um 15:04 Uhr
Hm, der Link hat nicht funktioniert. Hier also das Ganze nochmal: http://www.youtube.com/watch?v=BYaObBQTkpk
17. April 2010 um 22:06 Uhr
Übrigens las ich wg. eines geplanten Ausflugs nach Hrensko (mit den Kindern, nicht was mancher vielleicht denken mag)folgendes auf der Infoseite des Auswärtigen Amts:
„Der Besitz von Drogen auch in kleineren Mengen ist in Tschechien strafbar.“
http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/TschechischeRepublik/Sicherheitshinweise.html#t6
Oben nachgeschaut: Stand 17.04.2010
(Unverändert gültig seit: 31.03.2010)
Haben die da was nicht mitbekommen oder gilt die neue Gesetzgebung nicht für Ausländer?
17. April 2010 um 22:15 Uhr
hmmm. da bin ich überfragt. seli?